Urlaub vor der Haustür: Bayern beginnt hinter der Heilenbecke

„Heute geht es in die Berge“, sagt Meike Knop von der Tourismus-Förderung. Unsere Reiseleiterin zu den schönsten Plätzen im Ennepe-Ruhr-Kreis hat sich die Haare zu Zöpfen gebunden, die Wanderschuhe geschnürt und den Rucksack gepackt. Ist das nicht ein wenig übertrieben? „Nö“, sagt „Heidi“ Knop, „wir wandern auf die Alm“.

Gut, der Kreis hat zwei Gesichter. Für die „Flachlandtiroler“ von der Ruhr mögen die Hügel rund um Breckerfeld, wo das Sauerland beginnt, schon imposante Ausmaße haben, aber eine Atmosphäre wie in den Alpen werden wir hier wohl kaum finden. „Falsch“, sagt unsere Führerin während wir um die Heilenbecker Talsperre marschieren, „die Familie Braselmann hat hier vor vier Jahren eine echte Jausenstation eröffnet, so wie man sie aus dem Urlaub in Bayern, Österreich oder der Schweiz kennt.“

Am Ende des künstlichen Sees biegen wir vom Rundweg ab. Kleine Schilder weisen auf den wohl ungewöhnlichsten Restaurant-Betrieb im Ennepe-Ruhr-Kreis hin. Glöckchen klingeln. Gibt es auch noch Kühe auf der Alm? „Dafür ist zu wenig Platz, aber drei Ziegen sind die Attraktion vor allen Dingen für die kleinen Besucher.“ Wenig später stehen wir vor einer überdachten Terrasse. Es ist einer der seltenen Tage in der Saison, an denen die „Sennerin“ Sigrid Braselmann mal keine Gäste hat. Zwar ist eigentlich nur von Sonntag bis Dienstag offiziell geöffnet, an den anderen Tagen füllen aber meist Gruppen die 60 Plätze auf der Terrasse vor dem Haus in Breckerfeld.

Wie in den Alpen: Weißbier und Almdudler

Von Ostern bis Oktober ist die „Jausenstation Klütinger Alm“ geöffnet. Hier gibt es Weißbier und Almdudler, Schweinebraten oder eine Käsejause – wie eben in den Alpen, wo die 50-jährige Sigrid und ihr 55 Jahre alter Ehemann Wolfgang Braselmann jedes Jahr Urlaub machen. Auch die Tochter Heidi verbringt die Ferien dort, wo ihr Name für Bergromantik steht. Alles, was auf den Tisch kommt, wird aus den Bergen angeliefert. Nur den Schinken macht der Wirt inzwischen selbst. Er kommt mit Honig, schwarzem Pfeffer, Koriander und Knoblauch aber ohne Pökelsalz in den eigenen Räucherofen. Das klingt nicht nur gut, es schmeckt auch lecker.

Wenn die Bänke und Tisch voll besetzt sind, dann dauert es auch einmal länger, bis die Pfanne oder die „Fuhre Mist“ (verschiedene Fleischsorten) in einer Schubkarre auf der Terrasse serviert wird. Teller gibt es nämlich nicht. Auf der Speisekarte ist der Grund für die Wartezeit zu lesen: „Wir kochen für Sie stets alles frisch, mit Herz und Hand und nicht vom Band.“

"Wir bitten so lange etwas an, bis auch der letzte Gast satt ist“

Dafür braucht der Gast keine Angst zu haben, gar nichts auf die Pfanne zu bekommen, weil er zu spät kommt. „Wir sind einmal von einer langen Wanderung im Urlaub in ein Restaurant gekommen und da hat uns die Bedienung mit der Worten empfangen: Die Küche ist geschlossen. Wie auf einer Schallplatte hat sie den Satz wiederholt. Und das soll unseren Gästen nicht passieren“, berichtet Sigrid Braselmann von eigenen schlechten Erfahrungen. Auch wenn die „Chefköchin“ nach einem heißen Sommertag einmal froh wäre, die Küchentür hinter sich zu schließen: „Wir bitten so lange etwas an, bis auch der letzte Gast satt ist.“

Und das kann dauern. Denn, wenn die Sonne untergeht, wird es auf der „Klütinger Alm“ erst so richtig gemütlich. Dann erleuchten Kerzen und Fackeln die Umgebung. Eine Atmosphäre, die nicht nur die Wanderer an der Heilenbecke lieben. „Aus halb Nordrhein-Westfalen kommen inzwischen Menschen zu uns“, erzählt das Wirtspaar.

Und die schätzen die Qualität der Speisen und Getränke aus den Bergen. „Wir haben es auch mit Kuchen versucht, den mussten wir dann die ganze Woche selbst essen“, sagt Sigrid Braselmann. Die 50-Jährige hat dann auf typische Mehlspeisen wie Germknödel, Kaiserschmarrn und Palatschinken umgestellt. Nur eine bergische Waffel hat sie noch auf die Speisekarte eingeschmuggelt: „Das musste sein“.

Quelle: Westfälische Rundschau, Autor: Klaus Bröking, 24. August 2010